Kulturtreff: Im Haus Nr. 10 tobt das musikalische Leben

Im Haus Nr. 10 tobt das musikalische Leben

Renate Broschs „Studio für Gesang“ verwandelte den Kulturtreff am 11. + 12. November in ein Zimmertheater und das Publikum war begeistert.
Der Titel „Haus Nr. 10“ erwies sich als Publikumsmagnet, denn wohnen müssen wir ja schließlich alle. Freud und Leid des beengten Wohnraums im viel zu kleinen Zuschauerraum des Kulturtreffs Untertürkheim wurde – bemessen am Besucher*innenandrang – physisch spürbar.

Die Untertürkheimer Sängerin Renate Brosch, die sonst zu Aufführungen ihres „Studio für Gesang“ in die Sängerhalle eingeladen hatte, wusste mit dem kleinen Raum eines „Zimmertheaters“ virtuos umzugehen. Bühnenbildnerin Marlene Blumenstock hatte sich einen backsteinernen Hausprospekt ausgedacht, über dem ein spießig-idyllisches Fensterchen eine Perspektive in ein imaginäres Hinterhaus eröffnete, während auf der eigentlichen Bühne ein spärliches Mobiliar die häusliche Cafebar „HARMONIEsuchtHARMONIE“ andeutete. Der enge Parcour durch den Zuschauerraum verlängerte die Spielfläche ins Publikum hinein, wobei eine innigere Verbindung mit der eigentlichen Bühne kaum denkbar war.

Nach einer gedachten Haussanierung ziehen nun die Bewohner*innen dieses Hauses Nr. 10 wieder in ihre Wohnungen ein und präsentieren vor dieser Kulisse einen höchst unterhaltsamen Theaterabend, quasi in Form eines Musicals, aber mit unterschiedlichsten Genres von Oper bis Pop.

Als ein genialer dramaturgischer Einfall entpuppte sich die Rolle der Obdachlosen vor dem Haus (Angela Rabini), einer aus Job und Wohnung nach einer Scheidung herausgemobbten Exbewohnerin des Hauses, die in Laufe des Stückes ihre Mordfantasien an Ludwig Tiberius austobt – dem Scheidungsanwalt ihres Mannes, der immer noch im Haus wohnt. Mithilfe eines Komplizen und einigen bösen Georg-Kreisler-Liedern denunziert sie ihn als Querulanten, der das ganze Haus und vor allem die Handlung des Stücks prächtig auf Trab hält.

Da gibt es wunderbare Szenen: zwei Prostituierte zoffen sich um einen Freier (Eifersuchtsduett aus der Dreigroschenoper mit Julia Coschurba und Silvia Breiner), ein duettierendes junges Brautpaar huscht hektisch durch die Raum (Frieda und Robert Schwenk), ständig ertönt Operngesang aus dem Hinterhaus, ein nächtlicher Spuk und witzige Naturgeräusche erklingen aus dem Off (Sabine Hanneforth) und sorgen für Heiterkeit und Aufregung, ein Ball und Geige spielendes Kind (Sara Shirin Addou) und nervige Airbnb-Touristen sorgen für Tumult (Karin Felder und Stefan Lauster), eine harmonische Nachbarin beruhigt mit idyllischem Liedgesang die Gemüter (Gudrun Ederer), ein stummer Hausmeister (Karl-Friedrich Schäfer, eigentlich Pianist…) ist der Running Gag.

Ein Hausfest mit dem Trinklied aus Verdis „La Traviata“ (Silvia Breiner und Jürgen Ankele solistisch brilliant) darf nicht fehlen,  ebenso wenig wie die draufffolgende Katerstimmung, die schließlich in einer Eigentümerversammlung kulminiert: man stürmt schließlich die Wohnung des Querulanten und stellt fest, dass es ihn gar nicht gibt: ein Algorhythmus und KI sind schuld, und ganz besonders die Obdachlose, die als ehemalige Mathematikprofessorin das alles installiert hat. Aber die ist schon mit dem Komplizen über alle Berge, und die übrigen Hausbewohner versuchen mit spritzigen Pop- und Musicalnummern (u. a. ein gut eingespieltes Gesangstrio mit Silvia Breiner, Daniela Wolff und Gudrun Ederer) am Schluss wieder für Stimmung zu sorgen: Haus Nr. 10 – das pralle Leben.

Star des Abends ist die Koloratursopranistin Silvia Breiner, die nicht nur als singende Köchin, als Prostituierte und als Musicalstar alle Genres bedient, sondern auch noch während eines Stromausfalls aus dem Off die Rachearie der König der Nacht singt – das Publikum lauschte quasi einer Radionummer im Dunkeln.

Drehbuch, Regie, Einstudierung, Ausstattung und den Löwenanteil der Klavierbegleitungen verantwortete Renate Brosch in Personalunion und brachte die Sängerhalle in den Kulturtreff: Großes Theater auf kleinstem Raum. Tosender Beifall des Begeisterten Publikums.  (Text: Andrea Nicht-Roth, Fotos: M. Roth))